Die Sonntagspredigt vom 22. Juni 1997

Arthur Heilmann (Theologe):

Reich und Glücklich

Liebe Freunde,

 

Ist das möglich? Fragen wir uns. Reich-Sein und glücklich? Ist das nicht zu viel des Guten? Zu viel verlangt von unserem Leben? Ist es nicht etwas vermessen nach Geld und Glück zu streben? Hat nicht Jesus selbst in Armut gelebt? Die Armut sogar gesegnet?

Laßt uns einmal untersuchen, was wir wirklich denken über das Reich-Sein: es ist erstrebenswert auf der einen Seite. Wir sehnen uns danach. Wir wollen uns unsere Wünsche erfüllen und noch mehr. Die Wünsche unserer Lieben, unserer Freunde und Nachbarn.Das könnte uns glücklich machen. Für uns und für andere sorgen, Geschenke machen, Häuser bauen, Schiffe, Flugzeuge, Länder kaufen, die Not in der Welt lindern, allen genug geben einschließlich uns selbst. Das muß schön sein und wertvoll. Andererseits - denken wir nicht oft schlecht über reiche Menschen? Sie sind geizig, geschmacklos, ohne wahren Geist, sie sind gierig, sie interessieren sich nur für Geld, sie beuten andere aus. Kann so ein Mensch glücklich sein oder anderen Menschen Glück bringen? Wir bewundern und verachten den Reichtum und die Reichen gleichzeitig.

Und wie steht es mit der Armut? Ist die Armut etwas Schönes? Hat sie einen wirklichen Wert für uns? Lieben wir sie wirklich? Achten wir sie tatsächlich? Oder denken wir auch schlecht über sie? Lehnen wir sie ab? Die Armen mögen rechtschaffen sein aber vielleicht haben sie ihr Los garnicht anders verdient.Wir möchten uns davon distanzieren. Ein Leben in Armut erscheint uns nicht erstrebenswert. Zwar bemitleiden wir die Armen, aber unsere Bewunderung gilt ihnen nicht - so wie wir unsere eigene Mittellosigkeit bemitleiden, aber nicht bewundern können. Gibt es Menschen, die wir wegen ihrer Armut achten? Die Heiligen vielleicht. Die Märtyrer, Ghandi, Jesus, der heilige Franziskus, oder Mutter Theresa. Aber was ist, wenn sich herausstellt, daß Mutter Theresa heimlich Spenden abzweigt auf ihr persönliches Konto? Solche Nachrichten enttäuschen und verärgern uns. Die Armut verkommt zur Heuchelei. Wir sind sofort bereit, die Heiligen, die wir wegen ihrer Armut geachtet haben, wegen dieser ihrer Armut zu ver-achten. So, wie wir bereit sind, die Reichen wegen ihres Reichtums zu ver-achten. Wir bewundern und verachten also beide wegen ihres Reichtums oder ihrer Armut.

Wie wir das Reich-Sein und das Arm-Sein bewerten, scheint an uns zu liegen. Wie wollen wir uns entscheiden? Wie arm müssen wir sein, wie reich dürfen wir sein, um glücklich zu werden? Kann es uns denn wirklich glücklich machen, nach Reichtum zu streben? Nach Armut?

Laßt uns jetzt untersuchen, was das Glücklich-Sein für uns ist: warum wollen wir eigentlich glücklich sein? Weil es sich gut anfühlt. Und es fühlt sich gut an, weil wir es kennen. Wir sind da schon einmal gewesen, wir haben es geschmeckt, und es hat gut geschmeckt. Wir haben unsere Welt mit den Augen Gottes betrachtet. Wir sahen alles, hörten alles, fühlten alles und sagten: Es ist gut so - Autos, Bäume, Häuser, Menschen, Gräser, Gefühle - wir waren glücklich! Warum haben wir uns davon entfernt? Haben wir ein falsches Leben geführt, ein paar schlechte Entscheidungen getroffen? Oder haben wir nur den Standpunkt gewechselt - Es war gut so - dann haben wir Angst bekommen um unser Glück. Was ist, wenn uns das jemand wegnimmt? Wir haben begonnen, unser Glück zu behüten, zu verteidigen. Wir haben Leibwächter engagiert und Schutzbunker gebaut für das Glücklichsein. Zu diesem Zeitpunkt waren wir nicht mehr glücklich. Wir waren beschäftigt mit Beschützen und Behüten, mit Hoffnungen, Befürchtungen, mit Erwartungen und Schuldzuweisungen. Und wir haben gelitten um unser Glück.

Und dann erinnern wir uns, daß wir es einmal gekannt haben, das Glücklichsein. Und wir wissen, daß es zuerst kommt - vor allem anderen. Wenn wir glücklich sind läßt sich das Reich-Sein ertragen und die Armut aushalten. Laßt es uns dort suchen, wo wir es verloren haben! Wir erkennen, daß wir nichts brauchen zum Glücklichsein. Keine Leibwächter, keine Schutzbunker, keinen Reichtum, und keine Armut.

Seht Euch um und betrachtet wieder Eure Welt mit den Augen Gottes: das alles ist gut so - Ich bin glücklich.